© Helene Lang
8. März 2015

Helene Lang und Roman Braunhofer im Interview

Die Preisträger des Österreichischen Filmpreises 2015, Helene Lang und Roman Braunhofer, im Interview mit Daniela Skala für den VFMÖ zu den maskentechnischen Herausforderungen beim “ Finsteren Tal“.

VFMÖ: Welche Herausforderungen an Euch als Maskenbildner hat es bei diesem spannenden Pojekt gegeben?

Die ganz grundsätzliche Herausforderung ein paar Monate vor Drehbeginn war die Frage: Was können wir an Maskenarbeit zu diesem Film beitragen? Können wir bei diesem Film überhaupt ein Maskenbild in Form eines konzeptuellen ‚Looks‘ umsetzen? 
Wir wussten die Dreharbeiten würden grossteils ‚On Location‘ stattfinden. Motive irgendwo oben am Berg, Schnee, Kälte, Schauspieler, die auf Pferden sitzend davonreiten…
Unter solchen Umständen über Maskenarbeit- sprich: etwas auf einen Menschen zu malen oder zu kleben- nachzudenken, erscheint einem etwas absurd.

Es gibt wohl nicht viele Orte, wo man sich als Maskenbildner mit seinen Makeup und Hairstyling Ideen deplazierter fühlen könnte!
 Auch die ganzen SFX Szenen, es liest sich ja so leicht im Drehbuch. Und dann das große Kopfzerbrechen „Oh Gott, wie lösen wir das?“.

VFMÖ: Welcher der Charaktere war für Euch persönlich der Spannendste?

Alle. Bei manchen kommt man schneller drauf und bei anderen bleibt es 4 Maskenproben lang spannend. Hans Michael Rehberg als Brennerbauer zB war sicher optisch die stärkste Verwandlung, und es war technisch spannend Perücke und Bart durch eiskalte Drehnächte zu bringen. Über ihn haben wir nicht besondern lang nachdenken müssen; das war irgendwie gleich so klar wie er aussehen soll.
 Bei den Frauen haben wir viel probiert und mit Haarfarben, Frisur, Haarteilen und Perücken getestet. Auch mit dem Makeup war es nicht gleich so klar welcher Weg gut ist. 
Natürlich bekam niemand in dem Film ein richtiges Beauty Makeup, aber bei Paula Beer haben wir uns dann zu ihren dunklen Haaren passend für das ganze Programm mit Airbrush, Augenbrauen, Mascara, Blush usw. entschieden. Sie ist so ein starker Part in dem Film! Wir wollten, dass sie diese spannende Mischung aus Zerbrechlichkeit und Stärke, Hübschheit und Härte hat. Mit Carmen Gratl als Gaderin und Johanna Bittenbinder als Wirtin haben wir dann den Bogen über alle Generationen gespannt. Damit wollten wir zeigen wie man wohl aussehen kann nach Jahrzehnten des harten Lebens und der Unterdrückung in diesem Tal. Mit Johanna hatten wir zu zweit 2 Stunden Maskenzeit bis die Verwandlung fertig war. Dass die Männer alle irgendwie ‚cool‘ werden mit ihren Bärten und Schiessgewehren, das war klar, aber die Frauen haben auch alle eine sehr archaische Ausstrahlung.

VFMÖ: Welche Challenges gab es wegen der Wetterbedingungen/Drehbedingungen bzgl. Makeup/Hair/SFX?

Wie gesagt, wir mussten uns erst erarbeiten, was wir eigentlich alles umsetzen können. 
Jede Idee, jeder Maskenentwurf, alles musste entweder ‚bulletproof‘ umsetzbar sein oder wir mussten es weglassen.
 Oben am Berg kann man einfach oft nicht drehfertig machen oder nacharbeiten.
 Zum Glück war von Anfang an allen Beteiligten klar, dass geklebte Bärte da zum Grossteil nicht möglich sind und die Schauspieler ihre eigenen Bärte wachsen lassen mussten.
 Wenn doch mal jemand einen geklebten Bart hatte, musste ein Maskenbildner den Schauspieler den ganzen Drehtag „satellitenartig“ umkreisen- geklebte Bärte und Kälte mit rinnenden Nasen verhalten sich nun mal wie Teufel und Weihwasser!

Alle Makeup Effekte mussten wir sehr gut testen und vorbereiten, oben im Tiefschnee am Set hat man schon verloren wenn nicht alle „Zutaten“ dabei sind. Der erste Schritt zu dieser Vorbereitung war, zusammen mit Regie und Kamera, das Ausarbeiten eines Storyboards um Bildausschnitte und Kamerawinkel festzulegen. Mit diesem Wissen ging es weiter mit der Herstellung von Fullsize-Dummies und Crashdummies von einzelnen Darstellern. Bei manchen Effekten brauchten wir nachgebaute Körperteile die für Close-up verwendet wurden. So gut wie alle Effekte wurden „practical“ gemacht, dh. in der Post kam nur sehr wenig VFX dazu. Wann und wie man Blutbeutel füllt, den Schauspieler rechtzeitig aber nicht zu früh preppt, das war alles eine essenzielle organisatorische Überlegung. Rüdiger Schnur und seine SFX Jungs waren da eine super Hilfe und sehr cool in der Zusammenarbeit. Es gab kein Problem, das nicht mit Druckluft oder Sprengkraft gelöst werden konnte.

VFMÖ: Wie sah die Recherche aus, woran habt ihr euch lookmäßig orientiert?

Zunächst haben wir versucht soviel wie möglich über das bäuerliche Leben im 19. Jahrhundert zu erfahren. Wir sind zB. in das Geburtshaus des Schriftstellers Peter Rossegger in die Steiermark gefahren. Dort steht noch das Originalgehöft von Mitte 19. Jhdt. In so einem Haus zu stehen und zu sehen wie die Menschen gelebt, geschlafen, gegessen, sich gewaschen haben, gibt einem ein grundlegendes Gefühl für diesen Film.

Und sonst haben wir uns jede Menge Western und Bücher über Siedler im Wilden Westen gelesen. Wir haben viele alte Daguerreotypien-Portraits gesammelt, vor allem aus der Zeit des amerikanischen Sezessionskrieges und danach. In die Gesichter von alten Siedlern zu schauen, die ein Leben lang einsam in der Prärie gewohnt haben war sehr faszinierend.

VFMÖ: Welche Produkte waren hilfreich, auf welche Lösungen seid ihr gekommen?

Unsere Hauptsorge war natürlich die Kälte, hinsichtlich der Produkte und der Gesichter, der Haut der Schauspieler. Wer von den Kollegen schon mal gesehen hat wie blitzartig das 244er Fluid kristallisiert – schon bei geringer Kälte!- der kann sich unsere Alpträume im Vorfeld vielleicht vorstellen. 
Hinsichtlich des Makeup´s haben wir fast ausschließlich mit Alkoholfarben gearbeitet. Abgesehen von Paula bekam fast jeder Schauspieler jeden Drehtag mehrere Schichten ‚Patina‘ aufgetragen, alles andere hätte einfach nicht gehalten. Dazu müssen wir auch den Schauspielern ein großes DANKE für ihre Bereitschaft aussprechen! Angenehm ist es nicht, wenn einen der Maskenbildner morgens schon mit IPA99 einnebelt. 
Beim Haare/Tüllkleben war der gute alte Mastix in der Kälte einfach unschlagbar, die Marken Maekup, KD 151 oder WM waren unsere Favoriten. Genauso wie bei Alkoholfarben, Mastix hält sehr lange sehr gut und trotzdem ist er leicht nachzuarbeiten oder zu entfernen.
 Am wichtigsten war es, uns einfach richtig gut zu organisieren. Jeder im unserem Team musste eine kleine Abfüllung von allen Materialien immer mit am Set haben, teilweise auch in kleinen Taschen unter der Jacke wegen der Kälte. Nur so konnten wir flexibel sein! Von uns allen war immer viel Spontanität, aber ebensoviel Durchhaltevermögen und Teamgeist gefordert. Es war ein tolles Projekt.

VFMÖ: Danke für das spannende Interview!